Genusswandern & Entdeckerfreude – die Eindrücke einer Wanderung entlang des Alpe-Adria-Trails! Unterwegs vom legendären Bergsteigerdorf Heiligenblut durch die bergbäuerliche Kulturlandschaft der Sunnseite nach Döllach, dem einstigen Zentrum des Goldbergbaus.
„Am Anfang schuf Gott den Himmel und Kärnten. Eines seiner Meisterstücke war dabei der Großglockner …“ so, oder so ähnlich, könnte die Schöpfungsgeschichte von Kärnten beginnen. Aber der Reihe nach. Anfang Juni erhielt ich eine Einladung, die zweite Etappe des wundervollen Alpe-Adria-Trails zu begehen. Und zwar gemeinsam mit Ron – einem der ersten zertifizierten Natur-Aktiv-Guides. So eine Gelegenheit lass ich mir natürlich nicht entgehen.
Die Wanderung beginnt gleich mit einem Höhepunkt: dem bekannten Bergsteigerdorf und Wallfahrtsort Heiligenblut! Das kleine Bergdorf liegt am Schluss eines waldreichen Kerbtales und wird vom kühnen Eisgipfel des Großglockners überragt. Eine atemberaubende Szenerie! Kein Wunder also, dass dieses weltbekannte Motiv unzählige Kalender ziert. Uns gewährte seine Majestät der Großglockner jedoch nur kurz Audienz und verhüllt dann wieder seinen Gipfel in Wolken.
Auf den ersten Blick erscheint Heiligenblut als das Ende der „zivilisierten“ Welt, tatsächlich lag es seit keltischer Zeit an einem der wichtigsten Saumpfade über die Ostalpen. Heute führt stattdessen die beliebte Großglockner Hochalpenstraße vorüber. Ab dem 19. Jhdt. hat sich in Heiligenblut dann die Sommerfrische etabliert und damit einher das Bergsteigertum. Im urigen Dorfkern mischen sich noch heute Einheimische, Ausflugsgäste, Wanderer und Bergsteiger. So entsteht eine spannende Atmosphäre zwischen Tradition, Sommerfrische und Bergabenteuer. Und das erzeugt bei mir wiederum Entdeckerlust und Aufbruchsstimmung. Also auf geht´s!
Vom symbolträchtigen Wanderstartplatz am Dorfplatz machen wir zuerst einen kurzen Abstecher zum Wahrzeichen von Heiligenblut, der gotischen Wallfahrtskirche St. Vinzenz. In deren Innenraum gibt das gleißende Gegenlicht des Morgens dem kunstvollen Flügelaltar eine fast überirdische Aura. Neben zahlreichen verborgenen Gestaltungsdetails begeistert mich auch der Turmtabernakel. So etwas sieht man nicht alle Tage. Ron weist mich auf die Krypta unter dem Altar hin, in der die Gebeine des Briccius liegen. Der Legende nach starb der Däne auf seiner Rückkehr aus dem byzantinischen Reich nahe der Pasterze in einem Schneesturm. Er hatte ein kleines Fläschchen mit Blut von Jesus Christus bei sich das später dem Ort seinen Namen geben sollte: HeiligenBlut. Übrigens kommt man auf der 1. Etappe des Alpe-Adria-Trails direkt an seinem überlieferten Sterbeort – der heutigen Briccius-Kapelle – vorbei.
Im Friedhof der Kirche besuchen wir noch das berühmte Bergsteigergrab von Heiligenblut. Dort sind in einem Metallbuch alle am Großglockner tödlich Verunglückten vermerkt. Unwillkürlich kommt man beim Betrachten ins Sinnieren, wie kurz das Leben und wie kostbar diese Zeit ist!
Von Heiligenblut führen uns herrliche Fußpfade und einsame Bauernstraßen meist durch urigen Bergwald höher. Wir plaudern entspannt und philosophieren über das eine und andere Thema. Das ist das Schöne an Fußreisen: Der Geist wird frei und der Blick klarer! Wie nebenbei werden die versteckten Blicke ins Tal tiefer, der Abstand nach Heiligenblut größer.
Völlig unvermittelt – so kommt es mir zumindest vor – stehen wir vor dem Lenzerhof, dem höchsten Punkt dieser Etappe. Der Alpengasthof ist an sich eine beliebte Einkehr mit regionalen Schmankerln, hat aber leider an diesem Tag nicht offen. Tja, Wanderer sein heißt auch Entbehrungen ertragen können.
Der Erlebnishöhepunkt dieser Wanderung ist zweifelsohne die bergbäuerliche Kulturlandschaft ab dem Lenzerhof.
Steile Hänge, blumenreiche Wiesen, traditionsreiche Heuharpfen, urige Bauernhöfe, Holzbaukunst in Perfektion, gottesfürchtige Flurdenkmäler, gepflegte Bauerngärten, trocknende Wäsche, … ein Erlebnis für sich! Neben Harmonie in Vollendung verströmt diese gepflegte Landschaft bäuerliche Schaffenskraft und lebendige Tradition. Die wundervollen Ausblicke, wie zum Beispiel auf den 130 m hohen Jungfernsprung-Wasserfall, begeistern mich dabei ebenso wie die Fülle an verborgenen kulturhistorischen Kleinoden. Ein Eldorado für Genießer und Entdecker! Ron erweist sich hier als profunder Kenner der regionalen Gepflogenheiten.
Ein bäuerliches Highlight am Wegesrand sind die Apriacher Stockmühlen. Acht Bauern haben hier entlang eines kleinen Baches ihre Getreidenmühlen errichtet.
Im Gegensatz zu den allseits bekannten vertikalen Wasserrädern haben diese horizontal drehende Flottern (~Turbinen) auf vertikalen Antriebsachsen. Unwillkürlich stellt sich die Frage nach dem Wieso?
Eine Begründung könnte in der mäßigen Wasserkraft des kleinen Baches zu suchen sein: Eine vertikale Antriebsachse benötigt kein Getriebe und somit weniger Antriebskraft! Bei näherer Überlegung stellt sich eine weitere Frage: Wir haben bisher nur Wiesen gesehen. Wo sind die zu den Mühlen gehörigen Getreidefelder? Die Auflösung findet sich dann – Gott sei Dank – ein wenig später auf der Infotafel zu den Apriacher Stockmühlen. Tja, Entdecker haben es nicht leicht!
Der Mentlhof ist ein Erlebnis für sich! Sein kurzweiliges Museum erlaubt sehr anschauliche Einblicke in das bergbäuerliche Leben. Leider sind die Öffnungszeiten sehr eingeschränkt. Das ist vor allem für aufmerksame Alpe-Adria-Trail-Begeher schade, denn hier lassen sich zahlreiche Erklärungen für am Weg befindliche Besonderheiten entdecken – eine wahre Schatztruhe!
Von Apriach folgt der Alpe-Adria-Trail dem alten Kirchenweg hinunter nach Döllach. Stimmungsvolle Hohlwege und gemütliche Wanderpfade sorgen dabei für Wanderspaß pur. Während des Abstieges wird mir plötzlich die Länge dieses Kirchenweges bewusst. Sie lässt den Weg fortan in einem neuen Licht erscheinen: als symbolhafter Weg zum Seelenheil, aber auch als Weg aus der Abgeschiedenheit zu sozialem Kontakt.
Unser Etappenziel Döllach erscheint heute auf den ersten Blick eher als moderne Siedlungsgemeinde. In vergangenen Tagen war es jedoch das Verwaltungszentrum des regionalen (Gold)Bergbaus – ein pulsierendes Herz! Zahlreiche verborgene Zeugen erinnern noch stumm an diese Zeit: das Schloss Großkirchheim und sein Schössl, der Döllacher Dorfwirt, der Putzenhof, …
Im lauschigen Gastgarten des traditionsreichen Döllacher Dorfwirtshauses lassen Ron und ich diese wundervolle Wanderung kulinarisch ausklingen: bei Heusuppe und Glocknerlamm. Vom rührigen Wirt Hubert als Null-Kilometer-Menü empfohlen sträube ich mich anfangs dagegen. Null-Kilometer! Es war zwar eine kurze Etappe, aber wir waren doch 4 Stunden unterwegs. Hubert klärt auf, dass nicht die Etappenstrecke gemeint ist, sondern dass die Zutaten direkt aus der Region kommen und so quasi Null-Kilometer-Anfahrt für diese notwendig sind. Oh, na dann … So können wir die traumhafte Landschaft, die wir eben durchwandert sind, noch einmal mit dem Gaumen genießen. Hat übrigens vorzüglich geschmeckt! Hubert hat Zeit und setzt sich zu uns. Dass sich die Einheimischen Zeit zum Ratschen nehmen, fällt bei dieser Tour auf. Er erzählt von der langen Wirtshaustradition seiner Familie, von seinem Ausbruch in die Münchner Schickeria und seiner Rückkehr nach Hause: zur Tradition. Heute ist er der Dorfwirt – in 5. Generation – und stolz darauf. Mit seinen innovativen Produkten versinnbildlicht er für mich, dass Tradition nicht heißt, in der Asche zu wühlen, sondern die Flamme weitertragen!
Aufgrund der moderaten Länge der Etappe 2 bleibt am Spätnachmittag Zeit um die Umgebung von Döllach zu erkunden. Zuerst spazieren wir zum wildromantischen Gartlwasserfall. Seinen kühlen, heilkräftigen Gischtnebel einatmend lassen wir die Seele baumeln und hängen unseren Gedanken nach. Der Heilsamkeit der Wasserfälle des Nationalparks Hohe Tauern ist man sich erst seit kurzen bewusst. Nun macht man in der Broschüre „Wilde Wasser“ auf diese aufmerksam. Im Anschluss besuche ich noch alleine den „historischen“ Putzenhof mit seiner gelungenen Tauerngold-Ausstellung. Klein, aber fein bietet diese einen spannenden Überblick über den Goldbergbau der Region. Dabei erklärt sich auch so manche Besonderheit der heutigen Etappe.
Das bleibt … In Erinnerung bleibt ein wundervoller Tag: eine erlebnisreiche Fußreise durch alte Kulturlandschaften voller Harmonie und lebendiger Tradition!
PS: Ron, herzlichen Dank für Deine unaufdringliche Art die Besonderheiten einer Region gemeinsam zu entdecken.
In 750 km vom Gletscher am Fuße des Großglockners über die Julischen Alpen bis ins Hafenstädtchen Muggia an der Adria. In 43 Etappen – jede um die 20 km – erlebt man die Länder Österreich, Slowenien und Italien. Die persönliche Distanz bestimmt jeder Wanderer selbst. Die Etappen kann man einzeln auswählen oder nach Wunsch kombinieren. Ein Gepäcktransport erleichtert die Touren.
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