Ich höre erst auf, wenn ich im Ziel bin.

„Wenn du etwas machen willst, dann mach es und Schluss. Schiebe es nicht auf, weil du nie weißt, wann dich der Tod holt.“ Diese einfache, aber klare Maxime ist, wie er es selbst sagt, das Lebensmotto von Toni Wutte aus Niederndorf bei St. Margareten im Rosental. Mit dieser Einstellung begab er sich auch auf den Alpe-Adria Trail – vom Fuße des Großglockners bis zur Adriaküste und über das Gebiet dreier zentralen Staaten des Alpen-Adria-Raumes, Österreichs, Sloweniens und Italiens.
Auf der Website alpe-adria-trail.com wird der Trail in insgesamt 37 Etappen unterteilt. Toni Wutte durchwanderte ihn in 19 Tagen.

Körperliche Aktivität ist er gut gewohnt. Als Forstarbeiter, Berg- und Skilangläufer. Als Skilangläufer ist er Mitglied im österreichischen Veteranen-Nationalteam. Bei der Weltmeisterschaft 2016 im finnischen Vuokatti fehlten ihm auf die Bronzemedaille in der Alterklasse 55-60 nach 32 Kilometern knappe 1,3 Sekunden. Bojan Wakounig interviewte Toni Wutte für die Zeitschrift Novice, Ausgabe 2. September 2016. Lesen Sie hier das gesamte Interview daraus:

Der Alpe-Adria-Trail wird als „Wandern im Garten Eden“ beworben. Konnten Sie unterwegs Paradiesisches entdecken?

Toni Wutte: Man findet alles. Dichte Fichtenwälder und tiefe Täler, wunderbare Aussichten, Blumenmeere, Gärten. Insbesondere in Oberkärnten sieht man bei den Bauernhöfen ausgesprochen schön gepflegte Gärten. Ist man mit dem Auto unterwegs, sieht man dies alles nicht. Auch so manche Schlucht offenbart ihre Reize erst, wenn man sie zu Fuß erwandert. Man sieht die Bauern bei der Arbeit in den Steilhängen, die sie mähen müssen. Bei uns wird diese Arbeit aufgelassen, weil die Menschen offensichtlich lieber in die umliegenden Fabriken oder nach Klagenfurt arbeiten gehen. Anderswo aber bleiben sie und verrichten die Arbeit oder sie müssen abwandern. Im Mölltal sind die Leiten sehr schön gemäht. Auch in Slowenien ist das zu sehen. Kommt man dann in die Goriška Brda, spürt man so richtig den Übergang ins Weinbaugebiet.

Das Gehen als Art des Reisens ist wahrscheinlich bestens geeignet, um mit den Menschen, die entlang des Weges leben oder selbst unterwegs sind, in Kontakt zu treten.

Ich habe viele Menschen aus ganz Europa getroffen, darunter sehr viele junge Frauen. Die meisten wandern einige Etappen, nicht aber den ganzen Weg am Stück. Natürlich tritt man in Kontakt. Einmal hat mich ein Bauer sogar eingeladen, ich solle bei ihm das Holz hacken, weil ich ihm gesagt habe, dass ich Forstarbeiter bin. Auch bei den Mäharbeiten sollte ich einmal helfen, weil ich ja selbst einen Bauernhof habe und mit der Sense umzugehen weiß.

 

Wieso sind sie eigentlich ganz allein losgegangen?

Zuerst habe ich einen Mitwanderer gesucht, aber niemand hatte Zeit. Dann habe ich mich an die Worte Reinhold Messners erinnert: Es gibt nur ein Alleingehen. Alles andere ist ein Vor- oder ein Nachlaufen.

Sie sind sportlich sehr aktiv. Hätten sie den gesamten Trail auch in Angriff nehmen können, wenn sie konditionell weniger vorbereitet gewesen wären?

Ich hätte länger gebraucht, weil die Tagesetappen kürzer wären. 35 bis 40 Kilometer sind für mich kein Problem, weil ich ja ganze Tage lang im Wald arbeite. Ein bisschen Kondition sollte man schon haben, man trägt am Rücken gut zehn Kilo Gepäck. Außerdem stehen am Tag nicht selten mehr als tausend Höhenmeter am Programm. Wenn man pro Tag gleich zwei Etappen absolviert, sind es dann schon zweitausend Höhenmeter. Großteils ist man auf Wald- und Schotterwegen und Pfaden unterwegs. So eine Wanderung lohnt sich aber für jeden. Man weiß ja vorher nicht, ob man das ganze schafft, man muss es halt ausprobieren. Wenn es mir hin und wieder etwas schwieriger fiel, habe ich das alles sportlich betrachtet – ich höre erst auf, wenn ich im Ziel bin.

Wo haben sie übernachtet?

Auf Bauernhöfen, in Gasthäusern und in Hotels, wo immer es halt eine Übernachtungsmöglichkeit gab. Gab es kein freies Bett, musste ich halt woanders suchen. In Tolmin musste ich noch fünf Kilometer weitergehen, weil dort gerade ein großes Heavy Metal Festival lief Ende Juli. Pro Übernachtung muss man von 25 bis 45 Euro rechnen, mit allen anderen Kosten sind es dann 70 bis 80 Euro pro Tag, wenn man auch gut essen und trinken will. Deshalb habe ich auch nichts abgenommen, es heißt ja nicht umsonst Wandern im Garten Eden. Essen sollte man übrigens das, was typisch für die einzelnen Gegenden ist.

Auch wenn sie ganz allein unterwegs waren, so hatten sie doch auch Unterstützung.

Zweimal hat mir meine Frau Marta frische Kleidung gebracht, sonst war ich aber allein.

 

Welche Erfahrungen machten sie mit der Orientierung und den Wegmarkierungen?

Ich orientiere mich gewöhnlich nach der Sonne und schaue nur selten auf die Wanderkarte. Bei Lipica auf dem Karst habe ich mich aber komplett verlaufen. Es war aber nicht mein Fehler, jemand hat nämlich die Hinweistafel umgedreht, so dass der Pfeil in die andere Richtung zeigte. Fünf Kilometer ging ich die falsche Richtung. Sonst habe ich hin und wieder den Weg ein bisschen verfehlt, weil man schnell etwas übersieht, aber es war nichts Schlimmeres. Im Großen und Ganzen ist der Trail so markiert, dass man sich nicht verirren kann. Und auch wenn das passiert, findet man sich schnell wieder zurecht.

Was ist das Wesentliche auf so einer Wanderung?

Wichtig ist das Schuhwerk.. Es sollten aber keine Bergstiefel, sondern Trekkingschuhe sein. Und sie sollten eingelaufen sein. Auch eine Windjacke und ein Regenschirm gehören zur Grundausrüstung, weil man ja im Sommer schnell in einen Regenguss geraten kann. Essen und Getränke kann man sich in den Geschäften unterwegs besorgen, Wasser habe ich direkt aus den Quellen getrunken. Bei mir trug ich nicht mehr als eineinhalb Liter Wasser.

 

Was hat ihnen der Trail gegeben, was wird ihnen davon bleiben?

Vieles habe ich gesehen, das ich nie wieder sehen werde. Ich lernte Gegenden kennen, die mir bisher unbekannt waren, wie zum Beispiel Goriška Brda. Es wäre aber interessant, den Trail noch einmal in der umgekehrten Richtung zu gehen, vom Meer hinauf in die Berge. Und das im Frühling, wenn alles blüht.

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