Entspannt am Alpe-Adria-Trail

Ein Tag am Alpe-Adria-Trail genügt um jeden Naturliebhaber mit dem Wanderfieber anzustecken. Noch dazu, wenn man sich die Etappe vom Hühnersberg nach Gmünd aussucht bei der auch kulturelle und kulinarische Genüsse nicht zu kurz kommen.


Schon als ich zum ersten Mal vom Alpe-Adria-Trail gelesen habe, stand für mich fest, dass ich zumindest einen Teil dieses Weitwanderweges, der vom Großglockners bis ans Meer führt, gehen möchte. Doch wie macht man das mit einem 18 Monate alten Kind?? Ganz einfach: Man sucht sich einige Etappen heraus und wird tageweise zum Wanderer. Dementsprechend leicht war ich zu überreden als mein Freund Manuel mir kürzlich  den Vorschlag unterbreitete, die Etappe 10 vom Hühnersberg nach Gmünd zu wandern. Für Jungeltern wie uns bedeutet eine solche Wanderung nicht nur ein Naturerlebnis der besonderen Art sondern auch eine Auszeit vom Babyalltag. Juhu!!

Nach einigen Tagen ging es dann auch schon los. Schon direkt nach Aufwachen machen sich Vorfreude und ein gewisses Kribbeln in mir breit. Wird Milena den Tag bei Oma gut verbringen? Wo sind eigentlich meine Wanderschuhe? Wasserflasche für uns, Wasserflasche für Milena. Sonnenhut für alle, Sonnencreme vielleicht auch. Es gibt noch so viel zu tun! Da stört es ausnahmsweise gar nicht, dass wir schon seit 5:30 wach sind (meine Tochter ist keine Langschläferin). Der lautstarke Gesang der Vögel vor unserem Fenster gepaart mit den ersten Sonnenstrahlen ist die perfekte Einstimmung auf den Tag an dem für uns bäuerliche Kulturlandschaft, urige Bergwälder und eine mittelalterliche Kulturstadt am Programm stehen. Wir beschließen Milena direkt zur Oma zu bringen und uns zum Startpunkt unserer Genusswanderung aufzumachen.

Der Drei-Täler-Blick am Hühnersberg.

Dort angekommen sind wir beide wie ausgewechselt. Babybrei und Mamarufe sind schlagartig vergessen. Sofort saugen wir förmlich die Ruhe und Kraft ein, die dieser Platz ausstrahlt. Auf der einen Seite hat man den dunkelblau glitzernden Millstätter See vor sich und gleich daneben liegt einem das malerische Drautal zu Füßen. Die bunte Blumenwiese lässt in uns die Versuchung aufkommen, gleich hier und jetzt eine Decke aufzubreiten und uns ins Gras zu legen. Doch die Aufregung und Vorfreude auf alles was wir an diesem schönen Tag noch sehen werden, lässt uns direkt zur eigentlichen Wanderung aufbrechen.

Ein längerer Forstweg führt uns durch einen Wald vorbei an einer malerischen Weide. Zum ersten Mal halten wir inne und geben uns dem wundervollen Blick hin: unberührtes, saftiges Gras umrahmt von den weißen Gipfeln der Berge. Mir kommt der Gedanke, dass hier im kleinen Dörfchen Zelsach die Uhren ein wenig anders ticken. Die Menschen orientieren sich noch stark an der Natur, sie leben im Einklang mit ihr. Das übt eine gewisse Faszination auf mich aus. Manuel reißt mich aus meinen Gedanken als er mir von weiter vorne zuruft, ob ich hier Wurzeln schlagen wolle. Ich lasse diesen Kraftplatz also hinter mir, das Gefühl aber nehme ich mit. Wenig später kommen wir in Altersberg an und bewundern die wunderschön gepflegten Bauernhöfe und Häuser.

Wir besichtigen die Kirche St. Lucia. Die besondere Quelle, die bekannt dafür ist, Augenleiden zu kurieren, hat es Manuel angetan. Er zögert nicht und wäscht sich seine Augen mit dem mythenbeladenen Wasser aus. Reine Vorsorge wie er mir danach versichert.

Nach einer kleinen Stärkung in Form von Karfiolsuppe und Ripperl der hauseigenen Landwirtschaft im Familiengasthof Preis geht es für uns weiter zur Märchen-Wandermeile. Wie kleine Kinder freuen wir uns nun in eine ganz andere Welt eintauchen zu können. Jede Märchenfigur am Wegesrand zaubert uns ein Lächeln auf die Lippen und wir beschließen sofort, demnächst mit unserer Tochter wieder hier her zu kommen. Ich kann mir schon jetzt vorstellen wie sie beim Anblick der kleinen Drachen zu kichern beginnt. Noch mehr als die Märchenwelten haben es mir allerdings die harmonisch plätschernden Wasserräder angetan. Zu beobachten wie unaufhörlich das Wasser sich seinen Weg bahnt, so frisch und klar, ist ein absoluter Genussmoment. Ich kann einfach nicht anders, strecke meine Hände in das eiskalte Gebirgswasser und nehme einen großen Schluck davon. Herrlich!! Bereits wenige Meter weiter erwartet uns die Drachenschlucht. Adrenalin breitet sich langsam in unseren Körpern aus, denn der einzige Weg über die Schlucht ist eine 175 Meter lange Hängebrücke – die längste in Europa!! Weit und breit sind heute keine Wanderer unterwegs. Wir tasten uns Schritt für Schritt voran. Nach einigen Metern ändert sich die Stimmung schlagartig und unsere Zurückhaltung verfliegt.

Plötzlich fühle ich mich so sicher und stark wie selten zuvor und muss unwillkürlich an Yoga denken. Seit ich vor einigen Jahren meine Ausbildung zur Yoga-Trainerin gemacht habe, geht es mir an einzigartigen Orten häufig so. Diesen Platz hundert Meter über den steilen Felsen für sich ganz alleine zu haben ist etwas ganz Besonderes. Sofort denke ich: „Vermutlich hat hier noch niemand Yogaübungen gemacht.“ Vorsichtig taste ich mich an einige Übungen heran, zuerst im Sitzen (fest verankert mit der Brücke), dann auch im Stehen. Letztlich versuche ich mich sogar an der Krähe, eine Übung bei der man sich nur auf die Hände stützt. Auf der Erde ist diese Haltung zwar nicht ganz leicht, aber mit etwas Übung durchaus machbar. Auf einer wackelnden Hängebrücke ist die Überwindung wirklich groß, doch ich spüre die Kraft dieser besonderen Landschaft und es gelingt mir tatsächlich.

Auch wenn es mir zugegebenermaßen schwer fällt die Brücke hinter mir zu lassen, gehen wir weiter nach Trebesing. Wir sind uns einig, dass die Märchen-Wandermeile ein tolles Ausflugsziel ist. Es geht hier darum als Familie die Natur und die Welt der Märchen zu entdecken, den Kindern von Tieren und Sagen zu erzählen und gemeinsam zu toben.

Der folgende Weg nach Gmünd ist leicht zu gehen und gleicht einem Spazierweg. Im Vorbeigehen erfreuen mich immer wieder die wundervoll blühenden Apfel- und Birnenbäume und ich bin dankbar in einem Land leben zu dürfen, in dem die Natur noch intakt ist. Fast automatisch halte ich mehrmals an um diese Wunderwerke der Natur genauer zu bestaunen. Jede Blüte ist so perfekt und ich kann den Duft der reifen Früchte und des Sommers hier im Tal bereits riechen. Das leise Blöken der Schafe begleitet uns ebenso wie die freundlichen Stimmen der Bewohner immer eine Zeit lang auf unserem Weg.

Kultur pur in Gmünd

In Gmünd – und nach rund 16 Kilometern – angekommen steht für mich fest: Bevor wir uns nun der kulturellen Vielfalt der 2.600 Einwohner-Stadt widmen, stehen nun süße Köstlichkeiten am Programm. Wir genehmigen uns in der Konditorei Nussbaumer zwei saftige Stücke Topfentorte und einige der hausgemachten Trüffel.

Gestärkt und voller neuer Motivation entdecken wir die Künstlerstadt und ihre mittelalterlichen Gassen. Meinen Kraftort in Gmünd brauche ich nicht lange zu suchen. Die Werkstatt bzw. der Garten von Fritz Russ direkt an der Malta übt eine besondere Faszination auf mich aus. Jedes seiner Kunstwerke erzählt eine ganz eigene Geschichte. Für Manuel ist es die Ausstellung des Holländers Simon van Hal. Sie zeigt in Wien lebende Obdachlose wie sie leben und „wohnen“. Unsere Wanderung vom Hühnersberg nach Gmünd war ein Natur- und Kulturerlebnis der besonderen Art. Saftige Steilwiesen, urige Haine und authentische Bauernhöfe wechseln in kurzen Abständen und machen den Weg sehr kurzweilig. Der Großteil dieser Etappe führt über einfache Wege und Forststraßen und ist leicht zu gehen. Als krönender Abschluss macht die Künstlerstadt Gmünd ihrem Namen alle Ehre. Alles in allem hat mich dieser Tag dazu inspiriert bald wieder eine der 43 Etappen des Alpe-Adria-Trails zu gehen. Meine Neugier auf Kärntens schönste Berg- und Seengebiete ist mehr als geweckt!

Alpe-Adria-Trail

In 750 km vom Gletscher am Fuße des Großglockners über die Julischen Alpen bis ins Hafenstädtchen Muggia an der Adria. In 43 Etappen – jede um die 20 km – erlebt man die Länder Österreich, Slowenien und Italien. Die persönliche Distanz bestimmt jeder Wanderer selbst. Die Etappen kann man einzeln auswählen oder nach Wunsch kombinieren. Ein Gepäcktransport erleichtert die Touren.