Etappe 32 – Wenn der Zufall einem den schönsten Moment des Tages beschert.

Heute geht’s nach Gadisca. Nachdem es in der Nacht noch ganz schön gewittert hat, regnet es jetzt nur mehr in Strömen. Das ist gut so, denn darauf freue ich mich irgendwie. Es ist ein Abenteuer, eine Etappe komplett im Regen bewältigen zu müssen. Gestern hat es ja bereits nach zwei Stunden wieder aufgehört, aber heute soll das nicht der Fall sein.

Gut eingepackt, mit den frisch gewaschenen Sachen im Gepäck, gehen Pixi und ich los. Ich freu mich auf heute Abend, denn die Fotos meines Etappenziels wecken hohe Erwartungen. Eine kleine Stadt, direkt an der Soca. Mit einer Brücke und einem Schloss direkt am Wasser. Das verspricht eine Reihe an tollen Fotomotiven. Also motiviert bin ich auf jeden Fall für die heutige Etappe. Ich sehe den Regen eher als Belastungstest für meine Ausrüstung. Bis jetzt gab es keine Probleme, aber heute könnte es spannend werden.

Der Weg führt uns wieder über einige Hügel. Das sind kaum Höhenmeter und trotzdem komme ich ganz schön ins Schwitzen. Mein Körper reagiert mittlerweile auf Anstrengung recht schnell, was ich als gutes Zeichen für die innere Reinigung werte. Die Poren sind offen und der Schmutz kann raus. Ein sehr positiver Nebeneffekt des Wanderns. Auch der Gewichtsverlust und die Muskelzunahme kommen mir nicht ungelegen. Mittlerweile bräuchte ich schon einen Gürtel für meine Wanderhose. Ich denke, dass ich in den 5 Wochen ca. eine Kleidergröße verlieren werden, aber wirklich wissen werde ich es erst in 5 Tagen. 

Wo zuerst der Wald mich noch etwas vom Regen geschützt hat – bilde ich mir zumindest ein – schaut es in den Weingärten anders aus. Der Boden ist sehr weich. Ich muss bei den Anstiegen aufpassen, dass ich nicht ausrutsche und mich immer wieder an Zweigen am Wegrand festhalten. Alles nur nicht Hinfallen, lautet die Devise. Plötzlich ist der Weg zu Ende. Anscheinend hat ein Erdrutsch den Weg weggespült. Ich versuche die Stelle dadurch zu umgehen, dass ich mir einen Weg zwischen den Weinreben suche.

Aber leider sind überall Drähte gespannt, die es mir unmöglich machen durchzukommen. Naja, ich könnte kriechen, aber bei dieser Bodenbeschaffenheit sehe ich das als letzte Option. Also handle ich mich ganz langsam und vorsichtig am Rand des Erdrutsches vorbei. Eine im Nachhinein betrachtet nicht ganz ungefährliche Angelegenheit, aber am Trail lernt man recht schnell auf sich zu vertrauen, denn es ist einfach niemand anders da. Es geht auf jeden Fall gut und ich bin total euphorisch. Wieder habe ich meine Grenzen gesehen und überschritten und es fühlt sich verdammt gut an.

Nach einiger Zeit erreiche ich zwei kleines Seen. Bei schönem Wetter ist es hier sicherlich traumhaft schön und wird zum Baden genutzt. Selbst heute spiegelt sich der Himmel im Wasser und der Ort strahlt eine Ruhe aus, die mich tief durchatmen und die Augen schließen lässt. Immer wieder schießt mir der Gedanken in den Kopf, dass ich ein großes Glück habe, eine solche Reise machen zu können.

Endlich erreichen wir den kleinen Ort San Lorenzo Isontino. Ich bin sehr dankbar dafür, denn der Regen und die Kälte machen sich schon bemerkbar. Pixi zittert am ganzen Körper und ich kann ihr Fell quasi auswringen wie einen nassen Fetzen.

Dadurch, dass ich immer wieder das Handy gezückt habe um das GPS zu checken, ist das Wasser durch meine Ärmel nach hinten geronnen und so auch meine Kleidung nass geworden. Wir müssen uns also dringend aufwärmen. 

Mein Tipp: Unbedingt wasserfeste Handschuhe mitnehmen. Ich hatte meine nicht mehr dabei, weil ich sie für überflüssiges Gepäck hielt. Schwerer Fehler. Zu diesem Zeitpunkt wäre ich sehr dankbar dafür gewesen. Unbedingt auch immer ein Funktionshandtuch einstecken haben. Es erleichtert die Trocknung von Mensch und Tier erheblich.

Wäre die Nässe und das Kältegefühl nicht gewesen, wäre ich wohl nicht in eine tolle Bar eingekehrt. Also aufgepasst: Sollten Sie einmal in der Nähe sein, unbedingt bei der Bar Trattoria Ali Antenati vorbeischauen. Ich war plötzlich in einem Raum voller Italiener, die in einer Lautstärke diskutiert, gelacht und geschwätzt haben, die sogar für mich gewöhnungsbedürftig war. Es war ein Raum voller Leben, Freundschaft und positiver Energie, wie ich es noch selten erlebt habe. So nebenbei war das Essen hervorragend und der Wein zum Sitzenbleiben. Aber sobald ich und der Hund trocken waren, ging es wieder weiter, denn Gradisca erwartete uns.

Mein Tipp: In Gradisca unbedingt im Hotel Franz schlafen. Die Zimmer sind ein Traum, der Pool eine Wohltat, sofern das Wetter passt, und das Frühstück einfach köstlich. Vor allem wenn man schon einige Tage oder Wochen unterwegs ist, sollte man sich diesen „Luxus“ einfach gönnen.

Der Ort selbst hat mir sehr gut gefallen. Ich fand es ein bisschen schade, dass Wochenende war und die Geschäfte geschlossen hatten, denn der Ortskern lädt zum Shoppen ein. Aber vielleicht war es gut so, denn wo in meinem Rucksack hätte ich noch etwas unterbringen sollen – naja, Ohrringe hätten schon noch Platz gefunden